genommen. Wir haben in einer Studie in Münster festgestellt, dass nur jeder 16. Medikationsplan mit dem überein- stimmt, was die Menschen tatsächlich einnehmen. Das sind sechs Prozent! Das ist erschreckend. Es ist wich- tig, ein Bewusstsein für die richtige „Apotheker sollten im Bereich Vorsorge noch aktiver werden und Risiken wie Falschdosierungen verhindern.” Medikamenteneinnahme zu schaffen und Ideen zu entwickeln, wie wir die Patienten bei der Einnahme unter- stützen können. In diesem Bereich kann auch die Digitalisierung helfen. Die Apotheken könnten Patienten mit einer digitalen Nachricht an die Medikamenteneinnahme erinnern. Bekomme ich kein Feedback vom Kunden, hake ich nochmal nach. Ich hoffe, wir steigen mit den pharma- zeutischen Dienstleistungen stärker in die kontinuierliche Begleitung und nachhaltige Betreuung der Menschen ein. Welche Dienstleistungen tatsäch- lich zum Einsatz kommen, werden die Verhandlungen zeigen, die vom DAV mit den Krankenkassen geführt wer- den. Welche Punkte haben Sie hierbei noch im Blick? OVERWIENING: Es geht auch um den Bereich Vorsorge. Im Gespräch mit dem Patienten entdecken wir möglicherweise Anzeichen für eine Hepatitis, wir führen Blutunter- suchungen durch, finden anhand von Fragebögen heraus, wer wel- che Gefährdungen hat. Eine Er- nährungsberatung kann bei adipö- sen Menschen helfen, die Prognose zu verbessern. Bei Volkskrankheiten wie Bluthochdruck, Diabetes und psychischen Erkrankungen gibt es viele präventive Aufgaben, die wir als Apothekerinnen und Apotheker übernehmen können. Und der dritte große Themenkreis ist das Minimie- ren oder Verhindern von Risiken. Mit Risiken meine ich Fehlanwendungen jeder Art: vom Hustensaft bis zur Magentablette, vom Asthmainhaler bis zur Insulinspritze. Wie schätzen Sie die Umsetzbarkeit ein? OVERWIENING: In welche Richtung es geht, werden tatsächlich erst die Verhandlungen zeigen. Denn auch die Krankenkassen haben ihre Vor- stellungen. Ob diese Vorstellungen mit unseren, die sich am Patientenwohl orientieren, immer übereinstimmen, wird sich zeigen. Dass der Gesetz- geber uns Apotheken den Auftrag für pharmazeutische Dienstleistungen gegeben hat, ist aus der Notwendig- keit erwachsen, dass mehr für die Arzneimitteltherapiesicherheit der Pa- tienten getan werden muss. Dafür ste- hen wir. Ich hoffe, die Krankenkassen tun das auch, sodass wir uns nicht vor der Schiedsstelle treffen müssen. Ich setze großes Vertrauen in unsere Ver- handlungskommission, in der versierte Kolleginnen und Kollegen sitzen. Und auch auf der anderen Seite gibt es Kol- leginnen und Kollegen, die eine Ver- besserung der Arzneimittelversorgung für die Menschen wollen. Die Grippeimpfung in der Apotheke ist ein bedeutender Schritt zur An- gebotserweiterung. Was machen Apotheken in fünf oder zehn Jah- ren noch? OVERWIENING: Ein Punkt auf mei- ner Agenda, ist es, den Nutzen der Digitalisierung für uns zu heben. Ich glaube, das ist eine große Aufgabe. Ich sehe Digitalisierung als Chance, als echtes Potenzial. Im Kern geht es um die Frage, wie wir mittels Di- gitalisierung die Arzneimittelver- sorgung noch weiter optimieren, noch sicherer und effektiver ma- chen können. Wie können wir einen Datenpool aufbauen? Wie können wir die Kooperation mit den Ärzten intensivieren? Gibt es die Möglich- keit, in ländlichen Strukturen tele- Perspektivpapiers pharmazeutische Kontakte aus der Apotheke heraus zu gestalten? Noch sind wir in der Fläche vor Ort, über- all erreichbar für die Menschen, auch für jene, die älter sind und vielleicht wenig mobil. Da wird auch das E- Rezept eine Möglichkeit eröffnen, wie wir mit Ärzten in Kontakt treten können. Ein wichtiger strategischer Punkt der nächsten Jahre ist die Weiterentwicklung und Umsetzung des ‚Apotheke 2030‘, das wir vor einigen Jahren ver- abschiedet haben. Unter dem Trauma des EuGH-Urteils zu den RX-Prei- sen von Oktober 2016 ist das Projekt vorübergehend in den Hintergrund geraten. Dort werden aber viele Op- tionen aufgerufen, z.B. die Frage, ob und wie wir Apothekerinnen und Apotheker Schnittstellenmanager für die Patienten nicht nur zwischen Arzt und Apotheker, sondern auch zum Krankenhaus, zu den Seniorenheimen, den Schulen sein können. Auch den Ausbau der Impfkompetenzen der Apotheken werden wir in den nächs- ten Jahren diskutieren. Wie würden Ärzte darauf reagieren? OVERWIENING: Ich weiß, dass bei einigen Ärzten ein Abwehrreflex aus- gelöst wird, wenn Apothekerinnen und Apotheker sich aufmachen, zu impfen. Das passiert aber bereits in vielen anderen europäischen Län- dern. Dort ist zu erkennen, dass das Impfangebot in Apotheken eine neue Patientenklientel erschließt und die Durchimpfungsrate erhöht. Die- jenigen, die heute zum Arzt gehen, werden auch morgen dorthin gehen. Aber es gibt auch Menschen, denen man ein extrem niedrigschwelliges Angebot machen muss, damit sie sich impfen lassen. Die Chance liegt darin, dass wir uns gemeinsam, Ärzte und Apotheker, der Aufgabe verpflichten, für die Menschen eine bessere Ver- sorgung zu sichern. Dazu gehört eben auch die Impfquotenerhöhung, gera- de bei saisonal zu wiederholenden Impfungen. Und wenn man uns da braucht, stehen wir bereit. Viele Apotheker haben beim Stich- wort Digitalisierung bedenken. SEITE 14